#kreativgesehen (19) - Immer das Neueste, ist auch das Beste!?

Im Rundfunkstudio in Berlin, 1991
"Never change a running system!"-"Wechsele niemals ein funktionierendes System!" Dieser Satz meines Rundfunktechnik-Dozenten in Ekuador brannte sich bei mir ein. Jede Umstellung brachte im Allgemeinen erst einmal Probleme mit sich. Die Verknüpfung innerhalb des ganzen Senders, die veränderte Bedienung, unterschiedliche Normen - alles musste neu eingerichtet werden. Das war Ende der 1980er Jahre nicht anders als heute. Und in der Fototechnik ist es auch nicht anders.

 Doch die Technik schreitet unaufhörlich fort. Und mit jeder neuen Entwicklung verspricht die Werbung das "Nonplusultra" und natürlich viel, viel, viel bessere Bilder. Also müssen sie her, die neue Kamera, das neue Objektiv, das neueste Bildbearbeitungsprogramm. Es ist eine nie endende Hatz. Jedes mal fangen wir dann von Vorne an. Die Bedienung ist anders, das Menü unbekannt, die Funktionen oder Tasten nicht mehr da, wo vorher waren. So sind wir erst einmal eine ganze Weile damit beschäftigt zu lernen. (Was durchaus nicht schlecht ist ;-)


Aber Hand auf's Herz: wie viele Bilder waren jetzt wirklich schöner, spektakulärer, eindringlicher?  Klar der erste Superweitwinkel, das erste Makro-Objektiv z.B., eröffnen neue Welten. Doch die Innovationen sind  meist die versprochenen mehr Mega-Pixel, der schnellere Autofokus, höhere ISO-Werte oder neue Filter in der Bildbearbeitung.  Und? Hat's das gebracht?

Teilnehmer meiner Workshops sind oft etwas verwundert darüber mit welchen Kameras ich arbeite. "Nur 16 Mega-Pixel?" "Kein 8k-Video?" ... Nein, ich habe es aufgegeben dem Trend hinterher zu laufen. Wozu auch? Für meine Kunden (PR- und Presseagenturen) brauche ich keine riesigen Dateien mit denen man problemlos Riesenplakate für ganze Häuserwände machen kann (und Apple hat ja bewiesen, dass mit viel Bildbearbeitung sogar Handy-Fotos für Großplakate aufbereitet werden können). Und wenn doch, dann leihe ich mir Equipment.

Nun will ich nicht, dass jeder mit alten Kameras durch die Gegend rennt ;-) Doch es gilt ein wenig zu überlegen, ob sich das eine oder andere empfundene Problem nicht auch anders lösen lassen könnte. Ein Beispiel: Statt immer Kameras mit noch schnellerem Autofokus zu kaufen, könnte ich auch Techniken lernen um besser zu fokussieren. Zu analogen Zeiten, gab es auch scharfe Fotos von Sportveranstaltungen ohne Autofokus-Unterstützung. Und auch den richtigen Moment trafen Fotografen, ohne 24 Bilder in einer Sekunde zu schießen. Wir machen uns letztlich von der Technik abhängig, dabei soll sie uns doch eigentlich nur unterstützen. Die Abhängigkeit ist ein Teil des Triebes immer neue Technik anzuschaffen.

Die wirklich bahnbrechenden Neuigkeiten halten sich doch in Grenzen. "Live-Composit" - also das Entstehen einer Langzeitbelichtung auf dem Kameradisplay verfolgen zu können, ist sicher so etwas. Aber auch das entbindet mich als Fotografen nicht, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Z.B. den richtigen Zeitpunkt die Belichtung zu beginnen. Wer schon einmal mit mir zum Nachtfotokurs unterwegs war, weiß wovon ich rede. Um die Lichtspuren einer Straßenbahn vor dem mittelalterlichen Bremer Rathaus in Szene zu setzen, lassen wir zunächst einige Bahnen vorbei fahren. Dabei zählen wir ab, wie lange eine Bahn vom Startpunkt, bis zu einem bestimmten Endpunkt im Bild braucht. Dannach legen wir Belichtungszeiten und den Moment in dem der Auslöser gedrückt wird fest. Das kann kein "Live-Composit!"

 Erst die Erfahrung lässt  mich die Technik richtig einsetzen und ausnutzen. Wenn ich dann noch mit meiner Kamera vertraut bin, dann geht es auch schnell. Also überlegt vor dem nächsten Kauf, ob es nicht noch etwas zu lernen gibt.

Diesen Artikel habe ich im Café geschrieben, auf einem Netbook mit 1GB RAM und Windows XP. Und? Tat das dem Beitrag jetzt einen Abruch? ;-)

Was lernen? Guckt doch mal in die Workshops!
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