Donau so blau... Ein paar Tage in Wien

 Wunderschöne Herbsttage in Wien liegen hinter mir. Für eifrige Blogleser gibt es hier eine Zusammenfassung meines Online-Tagebuches, natürlich mit Bildern und den einen und anderen Tipp für Fotografen.


30. Oktober 2021

Hach, Wien! Es gut hier zu sein. Gestern einen herrlichen Flug gehabt. Klar hätte auch mit dem Zug fahren können. Doch der Corona-Voucher musste auch weg. Na, immerhin kein Inlandsflug!


In Hamburg noch das übliche hin und her, Gate hier, nein doch Gate da. Wahrscheinlich wollten sie die Leute in Bewegung halten, damit sie nicht merken, dass es kaum Sitzplätze in der Wartezone gab. Na, vielleicht war auch die Lüftungsanlage defekt uns sie wollten auf diese Art Durchzug machen. In Wien angekommen funktionierte alles perfekt. Grenzkontrolle inklusive 3G-Check in 30 Sekunden. Mit "Kommens, kommens, kommens", wurde die Schlange schnell auf die Schalter verteilt. "Passt", sagte der junge Soldat vom Bundesheer und weiter gings. Schnell noch auf der ÖBB-App die Zahlungsmethode eingerichtet, Fahrkarte gebucht... Fast hätte ich meinen Koffer übersehen, der war nämlich schon da und drehte seine Runden. Zug fährt in acht Minuten sagt die App. Stimmt und er fährt pünktlich mit mir. Am Hauptbahnhof noch umsteigen in den Nightjet nach Rom, steht am Gleis gegenüber, sehr bequem, wird sich (Achtung Spoiler!) wiederholen. Der ist schneller in Wien-Meidling. Zehn Minuten schiebe ich meinen Koffer durch die dunklen Gassen. Ziel erreicht. Noch 30 Stufen durch ein wirklich Alt-Wiener-Treppenhaus. Schiedeeiserne Geländer und die Waschbecken im Treppenhaus haben über 100 Jahre auf dem Buckel. Mit Verschönerungsarbeiten war man aber sparsam in dieser Zeit. Hier beziehe ich nun für eine Woche eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Ganz praktisch eingerichtet, etwas verwohnt, aber es lässt sich gut aushalten.

Auf der Google-Suche nach einem Supermarkt stelle ich entsetzt fest: in Österreich schließt man früh. Späti, Fehlanzeige oder zu weit weg. Ich erkunde noch die Gegend, finde einen kleinen Platz mit Buden für Cafés, Obst-, Gemüsehändler und die wahrscheinlich kleinste Konditorei Wiens "Hüftgold." Ins Café mag ich nicht mehr. Werde doch noch fündig, Chinamann mit Essen und Bier zum mitnehmen.

Schlafe hervorragend. Bin viel zu früh wach, aber ausgeschlafen. Service gibt es hier auch nicht, also mache ich mir selbst den Kaffee, ohne Milch. Nicht vergessen, nachher im Supermarkt. Dann mal langsam los. Frühstück und Flohmarkt. Auf dem Weg zur U-Bahn komme ich wieder an dem kleinen Platz vorbei. Da ist auch Flohmarkt und ein Tisch mit vielen analogen Kameras sticht mir sofort in Auge. Sogar eine meiner Lieblingsmarke. Ich hole kurz tief Luft, erfreue mich an den geöffneten Buden und den Düften nach frischen Brot und verschwinde im Untergrund. Der Weg zum Naschmarkt ist erfreulich kurz, umsteigen inklusive, Zug am Bahnsteig gegenüber, Taktung gigantisch kurz. U-Bahn mit Tageslicht, sehr schön. Es scheint die Sonne, kein Wölkchen in Sicht. Dafür aber der Flohmarkt. Neben unzähligen Kameras meiner Lieblingsmarke, die man in Deutschland eher selten findet, findet sich alles was das Herz begehrt. Besonders viel Kunst, elegante Bronzestatuen, Gemälde, alt, sehr alt, sehr teuer. Nicht Krempel, sondern Antiquitäten beherrschen das Bild. Mein Herz jubelt, das kommt sicher vom "Bares für Rares" gucken. Die Atmosphäre so ganz anders mit Wiener Schmäh. Ein älteres Ehepaar betrachtet eine Tänzerin aus Bronze, sicher Jahrhundertwende. Unsere Blicke treffen sich, ich nicke "sehr schön!" Sie lächeln zurück und haben sich in die Figur eindeutig verliebt. Am Stand nebenan wird nach dem Preis gefragt. "Fünfzehn!" Die junge Frau legt nachdenklich Kopf auf die Seite und will sich wegdrehen. "Jetzt müssen sie zehn sagen," lacht der Verkäufer. "Auf dem Flohmarkt müssen sie handeln, aber ich helf ihnen gern beim Handeln", zwinckert der offensichtliche Ur-Wiener.

(Smartphone-Aufnahme)

So viel sehen macht hunrig und Frühstück steht auch noch aus. "Probieren sie", "hier sehr lecker", der Naschmarkt gleicht einem Basar. Voll, eifrige Händler, eng. Ich schlängle mich zwischen Obst, orientalischen Gewürzen und Cafés durch. Neni ist am anderen Ende, ich hätte aussen rum gehen sollen. Uhhh, Schlange, 3G-Kontrolle und Zuweisung von Tischen. Nicht ganz so schnell wie am Flughafen, aber nach zwei Minuten sitze ich, draussen ein Lammfell hält Rücken und Po warm, den Kopf wärmt ein Heizstrahler. Gemütlich, kann so bleiben. Es gibt die verdiente Melange und ein israelisches Frühstück. Da passt es dann mit dem Basargefühl auch wieder. Bei dem Sprachengewirr an den Nebentischen vergesse ich ein wenig, dass ich in Wien bin. Könnte ebenso gut Tel Aviv sein. Da kommen die Molchos, also die Gründer von Neni nämlich her. Gibt es übrigens auch in Hamburg und Berlin. Aber hier am Naschmarkt ist halt der Klassiker. Übrigens mit superfreundlichem Personal und das bei dem Stress. Hut ab!

Auf dem Weg zurück kennt ein arabischer Händler meinen schwachen Punkt. Cashewkerne, süße Cashewkerne! OK, 100 Gramm. 200 wären heute im Angebot, kosten nämlich nur das doppelte von 100 Gramm. Nee, 100 Gramm, ja 100 Gramm. 'Hey Junge, vor steht jemand mit Orient-Erfahrung, ich kann das auch mit dreimal aus dem Laden gehen...' Noch einmal schlendere ich durch die Antiquitäten, Kameras und all die liebenswerten Dinge. Das nächste mal sollte ich mit Auto herkommen, zum Transport im Koffer sind hier soooo viele schöne Dinge nicht geschaffen. Besonders dieses Geschirr... Hach... Auf dem Rückweg noch zu Interspar. Riesenladen, direkt um die Ecke. Finde sogar alles. An der Kasse ein Gefühl wie in Berlin. OK, der Dialekt stimmt nicht und die Wiener nennen es granteln, klingt auch besser als meckern. Auch hier werden akkurat die Warentrenner gesetzt. Nur die Aufschrift verblüfft: "Zahlen sie bar! Bargeld schafft Anonymität!" Herrlich! Halte mich auch sofort dran. Nun, Beine hoch und zu Hause verschnaufen.

Auf ins Café Weidinger, da wo die Zeit stehen geblieben ist, sympathisch stehen geblieben. Gut, 3G-Kontrolle gibt es natürlich auch, mit Papier und Kuli versteht sich. QR-Code? Die Zeit ist hier halt stehen geblieben. Die Melange, ein Wasser dazu selbstverständlich. Schokokuchen hats auch, etwas trocken, aber lecker. Dazu eine Zeitung. Ich studiere die alpenländischen Skandale und was man über Deutschland schreibt. Der Blick von aussen, ein anderer. Entspannt lesen. Die Gäste hier sind ruhig, reden leise. Draussen lärmt der Verkehr zweier Hauptstraßen, aber hier im Weidinger ist es still, immer ein kleiner Urlaub im Urlaub. Ein etwas verwittertes Schild kündet an der Fassade "90 Jahre Weidinger." Beim bezahlen frage ich den Ober, wann genau es gegründet wurde. Dem Stil nach tippe ich nämlich auf meine geliebten Zwanziger Jahre. Er weiß es nicht, fragt aber netterweise den Chef. "1928" - Bingo! Der Chef nickt mir aus der Küche zu. Wir kommen ins plaudern. Ich werde wieder kommen.

Streife noch bis zur Blauen Stunde durch Wien, lande am Donaukanal und beschließe das es für heute reicht. Rückfahrt mit der U-Bahn und am gleichen Bahnsteig und so. Besorge mir gegenüber eine Pizza, Cola gibt's für Umme dazu. Lecker, Füsse hoch und Schluß für heute.



Ah!


Gutes kommt aus Berlin ;-)


















31.Oktober 2021

Endlich! Die Zeit geht wieder richtig! Ausgeschlafen und zu Hause gefrühstückt. Das mit dem Ofen und den Brötchen übe ich nochmal, gerade noch gut gegangen. Was machste nun mit dem Sonntag. Wetter war trüb, Google versprach Besserung. Vielleicht noch ein Flohmarkt? Antikmarkt hörte sich noch besser an. Also auf zu neuen Taten. Nur das Google den Markt in den Stadtpark verlegt hat, wo er gar nicht war, aber ich mit dem Zug hält am Gleis gegenüber, ihr erinnert, hingedüst bin. Statt Porzellan, Taschenuhren und Kristallglas, gab es einen Jugendstilbahnhof. Na, immerhin. Und einen unangenehmen Duft. Verdächtigte schon den Typen vor mir, der war es nicht. Ich auch nicht. Aber der Kanal, der Wien Kanal am Stadtpark. Heute nur ein kleines stinkendes Rinnsal im viel zu großen Bett. Aber der Park war schön, herbstlich, entspannend.
Wo war nun der Antikmarkt? Klar am anderen Ende, in Hietzing. Da passt er auch besser hin, ist nämlich gleich beim Schloss Schönbrunn. Sissi, Franzl, Sissi, Franzl... Die U-Bahn fährt durch, bin schnell da. In Schönbrunn quälen sich die Touri-Massen aus dem Zug und strömen zum Haupteingang. Ich nicht. Die Straße gerade aus, irgendwo dahinten muss der Markt sein. Eine junge Mutter fragt mich nach einem Kindermuseum. "Ick bin von hia! Tut ma leid!" Fürchte sie war doch in der falschen Richtung unterwegs, der Zoo könnte was für Kinder haben. Oder im Museumsquartier, da gibt es ein Kindermuseum fällt mir später ein. Herrliche alte Häuser, man spürt die Nähe zum Schloss. Auf einem kleinen Platz stehen sie, die Tische und die Händler. Wirklich handverlesen was da liegt. Ich gucke gern. Entdecke einen Berliner Doppeldecker im Kleinformat. Ein Stück Heimat, hab ich aber schon. Mein Traumgeschirr ist auch wieder da und viel echt Antikes. Die Händler sind gut aufgelegt "Na, oa'nen Kredit müssns doafür need aofnehm'n!"
Gegenüber ist auch der Seiteneingang zum Schloss. Hier ist es ruhiger. Eine herbstliche Allee weisst den Weg zu Sissi, Franzl, Sissi, Franzl... ah, das hatten wir schon. Dann strahlt es hell, das Schloss vor mir. Der Himmel blau - fast so blau wie in Berlin - was für ein Kasten. Eckig, gelb, symetrisch. Die Bilder werden schwarz-weiß - sieht herrlich aus. Über den Neptunbrunnen - noch bessere Sicht auf den Kasten - pilgere ich mit den Massen hinauf zur Gloriette. Im Zick-Zack-Kurs führt der Weg nach oben. Der Anblick der unaufhörlichen Menschenmenge erinnert mich an eine Szene aus "Lockruf des Goldes." Oben ist aber kein Gold, nur ein Wasserbecken, Treppen, Säulen und ein überfülltes Café, Gloriette eben. Der Blick über den Kasten und Wien dafür um so schöner. Sonne stand genau richtig. Babylonisches Sprachgewirr. Sogar hebräisch vernehme ich. Um mich herum wird fotografiert was das Zeug hält. Nur die besten Plätze sind fast immer frei. Glück für mich. Ich nehme den anderen Seitenausgang und laufe die zwanzig Minuten nach Hause. Jetzt kenne ich das Viertel noch ein bisschen mehr.
Im Kühlschrank wartet noch ein Rest Pizza und dann erstmal Siesta...
Lange halte ich es nicht aus, das Wetter ist zu schön. Online-Karten sind mir zu doof. Suche einen Stadtplan. Werde fündig, ist auf chinesisch. Die Straßen und Haltestellen zum Glück auf deutsch. Donau und das bei dem Wetter, das wär's. Ab in die U-Bahn mit am gleichen Bahnsteig und einmal ohne am gleichen Bahnsteig zur Donauinsel. Bin begeistert. Breiter blauer Strom beiderseits der schmalen Insel. Licht könnte kaum besser sein, die Sonne schickt ihre letzten Strahlen für heute. Glitzerndes Wasser, ein paar malerische Wolken, herrlich. Und ruhig, keine quatscht mich voll. Singleleben kann schön sein. Sonne weg. Und jetzt? Ins Getümmel nur zwei Stationen entfernt. Der Prater in der Blauen Stunde. Geht schon wieder nicht besser. Voll, ganz voll im Prater. Null-G und viele Kostüme. Ist Hellowien... äh, Helloween. Bunt schießen Gondeln und die Verrückten darin in den Abendhimmel. Gibt schöne Bilder. Neben mir werden die ersten Masken masakriert. Die Latex-Narben jucken halt. Unter uns: der richtige Mastix macht's. Wer nicht weiß was das ist, hat den falschen. Bin ganz eingenommen von den Lichtern, der Bewegung, dem stimmungvollen Abendlicht. Noch eine Serie Riesenrad, dann reicht es. Ströme mit den Massen Richtung Bahnhof, nehme aber die Straßenbahn. Die 5 kommt, die Strecke kenne ich noch vom letzten mal. Habe eine von den wenigen alten Bahnen erwischt, gemächlich rumpelt sie durch die engen Gassen. Entdecke beim Blick aus dem Fenster noch schöne Geschäfte, die geöffnet mal angesehen werden wollen. Nur morgen nicht, da ist Feiertag. Und für mich heute Feierabend.
Den Bremern sei noch ein "Ischaa Prater!" zugerufen.





Die schönere Seite der Fassade, Licht gibt es nachmittags!









Donau









1.November 2021

Auf Radio Ö1 dudelt mexikanische Musik zum Dia de los muertos. Beschreibt auch ganz gut meinen Zustand. Gelaufen, viel gelaufen. Da gestern der letzte schöne Tag war, schien heute wieder den ganzen Tag die Sonne. Strahlend blauer Himmel. Drin sitzen? Nee! Meine mir schon richtig vertraute U6 bringt mich Richtung Neubaugürtel. Von da lasse ich von Geschäften und netten Gassen leiten. Gründerzeit pur. Herrliche Portale, alte eingesessene Geschäfte, auch mit meinem Traumgeschirr. Dazwischen mal wieder alte Kameras, zu Glück ist heuer alles geschlossen. Was soll ich sagen? Sonne geniessen, mich treiben lassen, beim Wienerwald speisen, Fiaker knipsen, durch Parks streifen. Keine besonderen Vorkommnisse. Morgen endlich Regen, also Kultur-Programm, Museum, Museum, Galerie und abends vielleicht... 
Wenn ein Motiv nicht drauf passt, hilft manchmal die Panorama-Funktion des Smartphones.



Für heute lasse ich noch ein paar Bilder sprechen. 
Bis dahin Ba-Ba!

Schöne alte Straßenbahnen fahren noch.



Immer den Dom im Blick


Rathaus, irgendwas ist immer.

Parlament. Demokratie im Bau.







Man könnte an Engel glauben.







2.November 2012

Heuer war man fleißig! Wäsche gewaschen, unfreiwillig. Nein, nicht die Melange über die Hose oder so. Ich reagiere allergisch auf das Bettzeug, also auf das Waschmittel. Es dauert immer ein paar Tage bis es durchschlägt. Also einmal durchspülen, Waschmaschine ist ja da. Die Maschine natürlich vorher auch, sonst spüle ich mir den Scheiß rein, statt raus. So lässt sich ein Vormittag doch auch rumbringen. Ok, zwischendurch noch einkaufen, bisschen was zum Frühstück und Spüli, war sowieso dran.
Gleich ums Eck hats eine Einkaufstraße, sehr praktisch. Alle Supermärkte dieser Erde, dreimal 'dm' und gaaanz viele Billigläden. Ich beib' bei Interspar, da finde ich sogar schon alleine wieder raus. Der ist groß, aber nicht so groß wie... davon später. Zu Hause noch Kaffee trinken, das Geschirr spülen, die Wäsche aufhängen. Und jetzt her mit den neuen Taten. Hundertwasser-haus zum Beispiel, mit interessanter Fotoausstellung. Eine Linie mit alten Straßenbahnen Richtung Oper hatte ich beim Einkaufen entdeckt. Durch unbekannte Gassen zu rumpeln gefällt mir besser als der dunkle, aber schnelle Untergrund. Nahe der Oper finde ich die Gegend schöner, als das Rumpeln und steige aus. Wieder diese mondänen Gründerzeithäuser, kleine Geschäfte und alte Straßenbahnen. Kann mein Glück kaum fassen. Ach, ich lass mich treiben. Entdecke einfach schöne Gassen, wieder Läden voller Antiquitäten, Menschen die nicht wissen wohin mit ihrem Geld und ein paar Pferde, sehr vornehm untergebracht.
Ein paar Gassen später stehe ich vor der Albertina. Verlockend leuchtet "American Photography" über dem Eingang. Na, dann rein! Da Fotografie in der Kunst ganz unten angesiedelt ist, geht es die Treppe runter zu den Fotos. Und da hängen sie, die Bilder von Cindy Sherman, Robert Frank, William Egglestone, Nan Goldin, O. Winston Link... Ein Fest für meine Augen. Wenn ich jetzt noch Dome und Yosemite sage und noch verrate, dass ich hier wie angewurzelt stehen bleibe, dann weil dort ein echter Ansel Adams hängt. Auch heute noch der Gottvater der Landschaftsfotografie. Ich sauge die Details auf, ein Bild um viel zu entdecken, ein Meisterwerk und handsigniert. Also wirklich von der Aufnahme bis zum Abzug von ihm. Na, dann mal weiter mit Diane Arbus, Weegee, William Klein, Walker Evans,... Ha, die Räume haben tatsächlich ein Ende. Vollgetankt mit Eindrücken und Ideen mache ich auf den stufenreichen Weg nach oben. Hier stellt ein Maler aus den ich nicht kenne, macht nichts, kann trotzdem Malen. Riesige Leinwände mit Farbkompositionen, nichts figürliches, trotzdem schweifen die Gedanken zwischen Feuer, Wasser oder Eisberg. Oder auch einfach nur schön und harmonisch. Toll was der Farbe anstellt.
Langsam wäre es vielleicht Zeit eine Melange, doch davor liegt noch eine ganze Etage. Selbst wer im Kunstunterricht im Dauerschlaf war, die Künstler hier. Vor Picasso großes Gedränge, wichtige Blicke, wichtiges Nicken und Männer die ihren Frauen ganz viel erklären. Vor einem Bild steht keiner. Es ist schwarz-weiß. Es ist Sylvette. Das Blid hing mal in der Bremer Kunsthalle. Und habe es fotografiert. Mit Sylvette, der echten davor. Ein Stück weiter leuchtet der Mond, wie er nur bei Emil Nolde leuchten kann. Diese Farben! Bin ganz gerührt. Vor 50 Jahren hat mein Grundschullehrer Herr Handke uns von Nolde vorgeschwärmt und Dias mit seinen Bildern gezeigt. Und jetzt stehe ich davor, vor diesem Bild das fast in meiner Erinnerung verschwunden wäre. Jetzt sehe ich uns wieder auf dem Boden sitzend, staunend auf die Leinwand blickend, damals vor 50 Jahren. Ich geh nah ran, kann Pinselstrich und Wellen im Papier erkennen. Zum Glück sieht keiner dieses Lächeln und er FFP2-Maske.Man was hatten wir für tolle Lehrer, die mehr als nur den Lehrplan im Sinn hatten. Ja, auch all die anderen, Matisse, Monet, Kokoschka, Signac und wer sonst noch, haben geniale Bilder gemalt. Und jetzt sehe sie hier.
Jetzt ist es aber Zeit für die Melange. In der Albertine versteht sich, wenn auch zu "Markus-Platz-Preisen." Wer gegenüber vom Dogenpalast in Venedig schonmal einen Espresso bestellt hat, weiß was ich meine. Die freundliche Bedienung und ihr knappes ... oh, sorry. Die Melange war sehr lecker. Nebenbei beantworte ich noch ein paar E-Mails, irgendwie schreiben mir heute alle. Wunderbar herbstlich strahlt die Sonne durch die Fenster. Überhaupt, was ist mit dem Regen. Schon wieder scheint die Sonne. Zeit für ein paar eigene Bilder. Ich stelle mir selbst eine Aufgabe: Türme im Abendlicht. Ein Türmchen hat hier fast jedes Eckhaus, also Stoff genug. Ich lasse mich treiben, vom Licht. So schön. Da ich doch noch etwas vergessen habe, besuche Interspar am Schottentor. Der Name trügt. Das ist sowas wie das KaDeWe der Supermärkte. Eingang zwischen Säulen, keine Security, sondern ein Herr Portier. Ein alte große Halle, vielleicht mal eine Bank gewesen. Bekomme alle und kan direkt an der Kasse noch einen Kredit zum bezahlen aufnehmen.
Und immer noch ist dieses Abendlicht da. Eine Kirche noch, dann nehme ich schließlich die Straßenbahn. Berufsverkehr. Direkt hinter meiner fährt so ein alte. Zum Glück kenne ich die Strecke schon. Suche nach einem schönen Hintergrund für die Bahn. Hier ist es richtig, ich steige aus, nehme schnell die Kamera. Nochmal Belichtung checken. Bahn kommt. Hält kurz. Fährt an. Passt. Bild im Kasten. Die nächste kommt eh gleich. Und nun ab nach Hause, der Magen knurrt.

Anstehen für ein Stück Torte











3.November 2021

Es gibt sie noch, Menschen die Dinge nicht wegschmeißen, sondern pflegen und reparieren. Versteckt auf einem Hinterhof in der Josefstadt ist einer von ihnen. Nur ein kleines gelbes Schild weißt am Tor auf die Kamerareperaturwerkstatt hin. Über den Hof, dann in den ersten Stock. Die schmale Tür ist offen. Herr Redl ist ins Gespräch mit einem Kunden vertieft. Der kauft gerade eine Super 8-Schneide- und Klebemaschine. Willkommen im Paradies. Der kleine Raum, vielleicht so groß wie mein Wohnzimmer ist bist unter die Decke voll mit analogen Kameras. Alle sorgsam wieder auf Vordermann gebracht und schön anzusehen. Wir kommen ins Gespräch, war klar. Schwärmen ein wenig in der guten alten analogen Zeit und granteln über digitales und die Merkel. Das bei mir im Norden die alten Kameras viel zu teuer sind, weiß Herr Redl in seinem weißen Kittel auch. Ich solle besser nach München oder Düsseldorf fahren, da wäre es billiger. Ich könnte den Laden auch übernehmen, wenn er in Pension geht. Na, ich lass das. Wir verabschieden uns lachend.
Ich bleibe in der Gegend, laufe vorbei an kleinen Boutiquen und, natürlich Antiquitätenläden. An der Hausnummer 62 stoppe ich und schaue mich verwundert um. Ein Drogeriemarkt, statt Photobörse. Ah, falsche Straße. Eine zu früh abgebogen. Dann finde ich sie. Sechs ausgedehnte Fenster voller Kameras begrüßen mich. Am Eingang ein Korb mit Gedöns. Dabei ein Yashica FR mit Winder, würde sich gut in der Vitrine machen. Ich gehe rein, immerhin kommt man rein. Dann aber gibt es vor Vitrinen und Kartons kaum ein durchkommen. Ich schlängele mich hindurch, entdecke so manches Schätzchen, das hier schlummert. Dicht an dicht steht alles in den Schaukästen, völlig unübersichtlich, aber herrlich. Der Verkäufer sucht immernoch für einen Canon-FD-Tele-Konverter 1,4. Ich versinke weiter in den Kameraträumen vergangener Tage. Irgendwann hat der Verkäufer keine Lust mehr zu suchen und spricht mich an. Einen Grau-Filter 43mm suche ich tatsächlich gerade. Er runzelt die Stirn, zieht Schublade um Schublade auf. Er wissen nicht ob sie sowas da haben. Wieder geht eine Schublade auf, er nimmt ein Sackrl auf dem 42-45 steht und sagt, dass da vielleicht etwas bei wäre. Glaube er aber nicht. Ich öffne das Sackrl, greife wahllos hinein und halte einen Grau-Filter 43mm in der Hand. Ich grinse und sage, dass ich den Goldenen Griff habe. Der Goldene Griff geht auf einen Job zurück. Ich damals nebenbei noch im Supermarkt ausgeholfen und wenn es um die MHD-Kontrolle (Halbarkeitsdatum) ging hatte ich den Goldenen Griff. Ich fand immer was. So nun hatte ich den Filter und auch eine Yashica mehr. Der Laden sei ein Paradies schwärme ich. Vielleicht aus ihrer Sicht, wir sind hier jeden Tag am Suchen, sagt der Verkäufer und macht sich wieder auf die Jagd nach dem Konverter. Der andere Kunde ist aber auch hartnäckig.
Einigermaßen beschwingt mache ich mich auf den Weg zur Straßenbahn. Die fünf muss hier auch irgendwo fahren. Nach ein bisschen Gassenbeschau finde ich sie, also auf zum Prater. Den hier soll der schönste aller Fotoläden sein. Edle Stücke aus Holz und Messing für Großformate versprach Supersense. Hatte schon viel darüber gelesen. Vom Praterstern soll es nicht weit sein. Das Café, in dem sich Laden befinden soll ist noch da, nur der Laden nicht mehr. Ein völlig verwittertes Plakat verkündet zwar noch den Namen, aber zu sehen gibt es nichts mehr. Den Online-Versand solle es noch geben und man mache jetzt viel Vinyl, also Platten. Schade, der Weg hat sich nicht gelohnt. Zurück in die Stadt. Mir ist nach einer Melange. Die Cafés sind voll oder hässlich. schon ein bisschen müde laufe ich weiter und lande bei Aida. Nein, nicht auf dem Schiff, sondern in der Konditorei. Von aussen rosa, innen angenehm altes Kaffeehaus. Die Bedienung aussen komplett in rosa, innen... Torte und Melange sind wunderbar. Ich beschließe nach Hause zu fahren. Pause ist angesagt. Füsse, die armen Füsse hoch.
Abends hält es mich doch nicht auf der Couch. Probiere noch ein paar Nachtaufnahmen rund um die Oper. Entdecke dass es Führungen gibt. Vielleicht Programm für morgen!













4.November 2021

Der Blick aus dem Fenster zeigt das gewohnte. Die Sonne scheint, zumindest zeitweise. Ich bin platt vom Pflaster treten, schönem anschauen, im Kaffeehaus sitzen. Mir ist nach einem Park. Erst einmal Frühstück, ausgedehnt wie immer. Schloss Belvedere hat einen Park, war ich auch noch nicht und die Straßenbahn fährt hin. Die Kamera lasse ich daheim, fühlt sich ganz unbeschwert an. Am Eingang eine riesige Baustelle. Ich suche rechts davon einen weiteren. Es geht entlang einer Mauer, auf der anderen Straßenseite überbieten sich prachtvolle Bauten und die Botschaften mir teils unbekannter Staaten mit Flaggen und Schildern. Sogar San Marina ist hier nicht zu übersehen. Irgendwann bin ich auch am Schloss. Der Ausblick herrlich, endlich sehe ich auch mal Berge. Zurück geht es durch den Park, ein kalter Wind bläst heute. Nach bummeln in der Stadt ist mir nicht mehr. Mit der Straßenbahn geht es zurück.
Dann schauen wir doch mal wie ich morgen von Hamburg nach Bremen komme. Die Abflugzeit wurde schon x-mal verlegt. Echt nervig. Ah, ich könnte vielleicht, eventuell, unter Umständen den letzten Zug kriegen. Die Umsteigezeiten am Hamburger Hauptbahnhof wären sportlich. So schaue ich mal ob meine Airline noch was bietet. Der Flug um 8.00 Uhr? Nee, ganz bestimmt nicht. Und heute? da geht noch einer und tatsächlich früher und mit der Garantie noch nach Bremen zu kommen. Heute hätte ich sicher nicht mehr viel unternommen, bin auch wirklich überall gewesen, wo hin wollte. Morgen müsste ich Zeit totschlagen, auch doof. Also umbuchen. Klappt problemlos und ohne Aufpreis.
Am späten Nachmittag mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof, der RailJet zum Flughafen ist pünktlich, obwohl er schon durch ganz Österreich gefahren ist. Platz ist schnell gefunden. "Auf Grund eines technischen Defektes am Zug fahren wir nur bis Wien Hbf! Dort wird ein Ersatzzug eingesetzt." Fühle mich wie in Deutschland. Am Hauptbahnhof auf dem Gleis gegenüber kein Zug zum Flug. Nur einer aus Bregenz kommt. Doch wie von Zauberhand wechselt der die Beschilderung und fährt heuer zum Flughafen. Der Knüller: sogar pünktlich. Besichtige den Airport, das nächste mal mime ich gehbehindert und lasse im Golfcar fahren. Erst nach Terminal 3 um festzustellen, das der Checkin nach Terminal 1 verlegt wurde, um dann wieder nach Terminal 3 zu latschen, weil Gate F78 einfach am A...
Der Flug unspektakulär, bei der Auslastung hält sich auch die Ansteckungsgefahr in überschaubaren Grenzen. 
Dann wieder auf deutschem Boden. Die Einreisekontrolle, es gilt immernoch 3G, war sensationell schnell. Sogar schneller als die Österreicher, nämlich gar nicht. Das stärkt mein Vertrauen in unsere Behörden die Pandemie erfolgreich zu bekämpfen ungemein. So bekomme ich aber den früheren Zug, auch gut. Der wirkt ungepflegt , um nicht zu sagen unappetitlich. Fährt zwar pünktlich los, aber... na, jedenfalls kommt er bis nach Bremen. Straßenbahn gerade weg, nächste Nachtbahn in 30 Minuten. ich checke die App, finde ein Carsharing-Auto gleich um die Ecke und zu hause sogar einen Parkplatz. Ich lasse mich nieder mit einem wohlverdienten Beck's und Heizung auf volle Pulle.
Nun juckt es mir doch in den Fingern. Schließlich konnte ich die Kamera aus der Photobörse mangels Batterie nicht testen. Da sie in der Schrottkiste lag musste ja irgendwas sein. Batterie rein... ...und läuft! Der Winder für den motorischen Filmtransport, auch Batterien rein... ...läuft! Für zusammen fünfzehn Euro lasse ich mir das gefallen. Das nächste mal fahre ich aber mit dem Auto und kaufe die Flohmärkte leer. Ach, ich hätte vielleicht kein zweites Beck's trinken sollen. Ab ins kalte Bett!





Wiener Fundstück - vor 30 Jahren hatte ich schonmal eine.